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Odin oder wenn das Herz seinem eigenen Rhythmus folgt

Odin oder wenn das Herz seinem eigenen Rhythmus folgt

Odin ist ein junger Havaneser-Rüde, der gerade seinen ersten Geburtstag gefeiert hat. Er entdeckt das Leben und nichts hält ihn auf, mit seinen Freunden die Welt unsicher zu machen. Bei einer Routineuntersuchung ist ein recht langsamer Herzschlag aufgefallen. Dies kam sehr überraschend, da Odin topfit ist. Auch bei Aufregung ändert sich die Herzfrequenz nicht merklich.

Eine Herzultraschalluntersuchung inklusive Elektrokardiogramm wurde angesetzt, um dies genauer abzuklären. Die Echokardiographie ergab eine geringgradige Insuffizienz an der Aortenklappe, sonst keine morphologischen Auffälligkeiten. Das EKG gab da schon eher einen Aufschluss. P-Wellen ohne folgende QRS-Komplexe, QRS-Komplexe etwas breiter als gewöhnlich zeigten sich in regelmäßigen Abständen, aber völlig unabhängig der P-Wellen. Nun hatten wir die Ursache des langsamen Herzschlags: AV-Block high grade Grad II bzw. Grad III.

Dies ist eine bradykarde Herzrhythmusstörung, bei der es zu einer Störung der elektrischen Erregungsweiterleitung kommt. Die Überleitung vom Sinusknoten auf den AV-Knoten oder die Leitung vom AV-Knoten auf die Ventrikel funktioniert nicht.

Bevor wir dies näher erläutern, ein kleiner Exkurs zur physiologischen Erregungsleitung des Herzens. Der große Taktgeber ist der Sinusknoten, dieser befindet sich in Höhe des rechten Vorhofs. Er gibt die elektrischen Impulse vor, welche zum Atrioventrikularknoten (AV-Knoten) geleitet werden. Es folgen His’Bündel (ziemlich in der Mitte zwischen linkem und rechtem Ventrikel liegend) und die Purkinje-Fasern, welche in der Kammermuskulatur verlaufen, sowie die septomarginalen Trabekel, die quer durch die Herzkammern laufen. Je weiter entfernt vom Sinusknoten bzw. AV-Knoten eine große Erregung entsteht, so bizarrer sieht der Komplex (QRS) im EKG aus. Daher kann ein ungefährer Rückschluss gezogen werden, wo am Herz die Erregung entsteht.

Im EKG stellt die P-Welle die Erregung des Vorhofs dar, also entsprechend die Taktvorgabe durch den Sinusknoten. Die nachfolgende Erregung ist der sogenannte QRS-Komplex, welche die Kammererregung darlegt.

Die Ursachen dieser Erregungsleitungsblockierungen sind sehr heterogen. Meist sind eher ältere Tiere betroffen mit degenerativen Veränderungen oder strukturellen Schädigungen an dem AV-Knoten. Auch ein erhöhter Tonus des Parasympathikus kann dies auslösen. Der AV-Block Grad III kommt auch idiopathisch vor. Weitere Auslöser für einen AV-Block können Erkrankungen des Respirationstraktes darstellen, beispielsweise chronische Bronchitiden, Trachealkollaps oder eine Lungenfibrose. Des Weiteren können endokrine Störungen ursächlich sein, v.a. ein Hypoadrenokortizismus (M.Addison) oder eine Hypothyreose. Auch Medikamente können diese Form der Rhythmusstörung bedingen, zum Beispiel ß-Blocker, Digitalis-Präparate oder auch Anästhetika wie Medetomidin oder Xylazin. Herzerkrankungen wie Aortenstenose, Ventrikel-Septum-Defekte oder auch Tumore können Auslöser darstellen. Grad I und einfacher Grad II können auch bei jungen Hunden physiologisch vorkommen, wenn diese einen ausgeprägten Vagotonus oder eine Sinusarrythmie aufweisen – quasi der überaus „gechillte“ Hund.

Bestimmte Hunderassen neigen eher zu einem AV-Block als andere. Beispiele dafür sind Labrador, Afghane, Chow Chow, Mops oder Cocker Spaniel, Dackel und West Highland White Terrier. Der Havaneser gehört eigentlich nicht dazu. Odin ist eben doch ein ganz spezieller kleiner Hund.

Ob diese Rhythmusstörungen Symptome hervorrufen ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Zum Einen, ob dies ein permanenter Zustand ist oder eher intermittierend. Ebenso spielt die Höhe der Bradykardie, also die Herzfrequenz eine entscheidende Rolle. Sinkt diese unter 40 Schlägen/min oder sind Pausen von 6-8 s vorhanden, dann ist die Gefahr von Synkopen besonders groß. Dauerhafte Herzfrequenzen um die 40/min führen zu chronischen Ermüdungserscheinungen, da es zu einer chronischen Volumenüberladung des Herzens kommt und der Blutdruck erniedrigt ist.

Symptome treten daher eher bei den höhergradigen Blöcken auf.

Odin hat glücklicherweise bisher keinerlei Symptome. Seine Herzfrequenz liegt aktuell auch stets um die 55-60/min. Auch zu Hause wurde dies durch die Besitzer bestimmt und dokumentiert. Dennoch wurde natürlich Ursachenforschung betrieben.


Herzultraschall und EKG

Großes Blutbild,
blutchemische Untersuchung inklusive Elektrolyte,
Basalcortisol und Schilddrüsenwerte


Herzultraschall und EKG wurden durchgeführt. Großes Blutbild, Blutchemie inklusive Elektrolyte, Basalcortisol und Schilddrüsenwerte folgten.

Wie bereits oben beschrieben ergab der Herzultraschall eine geringgradige Aorteninsuffizienz ohne bisherige hämodynamische Auswirkungen.

Die Blutlaboruntersuchungen inkl. Schilddrüsenwerte und Elektrolyte zeigen sich unauffällig. Es liegt eine Monozytose vor und Basalcortisol ist erhöht.

Die Verdachtsdiagnose ergab einen „idiopathischen AV-Block“.

Odin wird uns zukünftig regelmäßig besuchen um seinen Herzrhythmus zu kontrollieren. Aktuell sind weitere therapeutische Ansätze bei ihm nicht notwendig. Dennoch sind Odin und seine Besitzer sorgfältig in der Beobachtung, ob sich Symptome einschleichen, d.h. Leistungsschwäche, Kreislaufprobleme oder sogar Synkopen auftreten.

Therapieansatz ist je nach Symptomatik medikamentös mittels Parasympatholytika wie beispielsweise Ipatropiumbromid oder Xanthine (Theophyllin) oder der Einsatz eines Herzschrittmachers. Herzschrittmacher sind mittlerweile auch bei uns in der Veterinärmedizin gut etabliert und führen zu einer guten Lebensqualität.

Dennoch hoffen wir für Odin, dass dieser Schritt für ihn nicht notwendig sein wird.

Nicole Rofael
Tierärztin
VETspert®

Quellen:
VETspert®
Tierarztpraxis am Rankbach
Praxis der Kardiologie Hund und Katze (Enke-Verlag)
thieme-connect
Anatomie für die Tiermedizin (Salomon) (Enke-Verlag)

Nicole Rofael

Nicole Rofael

Tierärztin

Autorin des Fachbeitrages
und Ansprechpartnerin
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