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Begleitung und Beratung in der onkologischen Therapie

Rocky und der Mastzelltumor im Nasenrachen

Atembeschwerden, schnorchelnde und schnarchende Atemgeräusche, sowie ständiges Lecken waren Anzeichen dafür, dass etwas mit dem 12 jährigen Jack-Russel-Terrier Rocky nicht stimmt. Auskultatorisch auffälliges Giemen, vor allem in den oberen Atemwegen war bei der klinischen Untersuchung deutlich wahrzunehmen. Nach erfolgloser Infektbehandlung, folgten unauffällige Blutbefunde und Abstriche. Daraufhin wurde die Diagnostik erweitert.

Eine Computertomographie der Atemwege, sowie eine zytologische Untersuchung zeigten die Ursache für die Dyspnoe: Diagnose Mastzelltumor im Meatus nasopharyngeus.

Mastzelltumore gehören zu den häufigsten Neoplasien der Haut bei Hunden und sind generell als maligne einzuordnen. Möglich sind auch, allerdings wesentlich seltener, Veränderungen in den inneren Organen oder generalisiertes Auftreten. Es gibt bestimmte Rasseprädispositionen wie Boxer, Retriever oder Sennenhunde, allerdings können sie auch bei jedem anderen Hund vorkommen, wie in unserem Fall bei Rocky, einem Terrier. Eine Geschlechts- oder Altersprädisposition besteht nicht, sie können immer entstehen. Meist treten sie als einzelne Umfangsvermehrung auf, können durchaus aber auch multipel vorkommen.

Mastzellen kommen im gesamten Körper vor und sind physiologisch funktionell für Entzündungs-, Immun- oder Allergiereaktionen. Tumore dieser Zellen sind wahre Künstler in ihrer Erscheinung. Daher gilt der Leitsatz: Jede Umfangsvermehrung ist so lange ein Mastzelltumor, bis das Gegenteil bewiesen ist. Das Erscheinungsbild reicht von weich, klein und unscheinbar bis hin zu derb, knotig, infiltrativ und flächig und werden meist von einer sogenannten Pseudokapsel begleitet. So vielfältig wie die Tumore sind auch die klinischen Symptome. Mastzelltumore können reaktionslos vorkommen, aber auch zu Juckreiz, Entzündungen mit Wundheilungsstörung und Blutungen führen. Variierende Größenveränderungen im Krankheitsverlauf zeigen sich ebenso, wie systemische Ausprägungen im Endstadium, z.B. Ulzera im Gastro-Intestinal-Bereich.

Generell können diese Neoplasien im gesamten Körper auftreten, typische Lokalisationen sind v.a. die Gliedmaßen (v.a. Hintergliedmaßen), Rumpf, Kopf und die Anogenitalregion. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen eher die Schleimhäute betroffen sind, z.B: Augenbindehäute, Maulschleimhaut oder Vaginalschleimhaut. Bei Rocky war der Meatus nasopharyngeus befallen.


(Grafik: Thieme-Connect)

Die Diagnose kann durch eine zytologische Untersuchung mit Hilfe einer Feinnadelaspiration gestellt werden. Eine genauere Differenzierung ist oftmals durch ein Bioptat erst möglich.

Tumore dieser Art können in mehrere Grade eingeteilt werden. Eine ältere Einteilung ist die nach Patniak et al.1984, nach den Graden I-III. Grad I bedeutet niedrigere Malignität, also weniger invasives Wachstum und Metastasierungsraten. Heilungschancen sind bei diesem Grad vorhanden. Grad III hingegen ist absolut maligne, gezeichnet von aggressivem Wachstum und schnellen Metastasierungen. Grad II ist durch seine Unberechenbarkeit gekennzeichnet. In diesem Grad kann alles vorkommen.

Eine neuere Einteilung seit 2011 ist die in low grade und high grade Neoplasien nach Kiupel et.al.. Low grade – Mastzelltumore zeigen deutlich längere Zeiträume, bis diese metastasieren oder rezidivieren und haben damit eine wesentlich höher Überlebenszeit als high grade- Mastzelltumore, die meist aggressiv infiltrativ wachsen und schnell metastasieren.

Die veterinär-diagnostischen Labore, wie beispielsweise IDEXX, kombinieren oftmals die Gradeinteilungen in ihren patho-histologischen Befunden. Ein Beispiel wäre: „kutaner Mastzelltumor Grad II (nach Patniak), low grade malignancy (Kiupel)“.

Zusatzuntersuchungen wie immunhistologische Untersuchungen zur besseren Beurteilung und Therapiefindung sind möglich und häufig ratsam. Bis zu 50% aller Mastzelltumore beim Hund weisen eine Mutation an einem Membranrezeptor der Mastzellen auf. Die häufigste der Mutationen wird c-KIT genannt. Sie führt zu einer permanenten Aktivierung des Membranrezeptors und damit zu einer autonomen Stimulation für das Wachstum.

Aufgrund der schwierigen Lokalisation konnte bei Rocky ausschließlich eine Feinnadelaspiration durchgeführt werden. Diese ergab eindeutig den Befund eines Mastzelltumors, aber leider war keine genauere Differenzierung möglich. Die Prognose bei Fall Rocky fällt damit leider eher sehr unsicher bis ungünstig aus.


Zytologische Untersuchung / Befundbesprechungen für Histopathologie und Zytologie
CT Radiologiebefundung

Blutbild – vor Therapie
Differentialblutbild und blutchemische Untersuchung

Blutbild – Verlauf
Differentialblutbild im Therapieverlauf sowie Leberwerte
und blutchemische Untersuchung vor erster Dosisreduktion


Die Therapie der Wahl ist die komplette chirurgische Exzision. Dies war bei Rocky nicht möglich. Nach Abwägung weiterer therapeutischer Optionen wählten die Besitzer den Weg einer Kombinationstherapie von oraler Chemotherapie mit dem Medikament Palladia und Prednisolon. Palladia ist als Tyrosinkinase-Inhibitor ein Chemotherapeutikum, welches den Membranrezeptor der Mastzelle mit der c-KIT-Mutation hemmt. Prednisolon als Glucocorticoid ist ein starker Entzündungshemmer und wirkt abschwellend.

Die Anfangsdosierung von Palladia beträgt ca.3,25 mg/kg Körpergewicht jeden 2.Tag oral, unabhängig ob mit oder ohne Futter. Streng zu beachten ist, dass die Tabletten nicht teilbar sind und stets vollständig verabreicht werden müssen. Rocky bekam daher jeden 2. Tag 30 mg Palladia. Prednisolon bekam er täglich in einer geringen entzündungshemmenden Dosis von 0,25 mg/kg KGW BID.

Von Therapiebeginn an verringerten sich die Symptome deutlich. Die Atemgeräusche verschwanden, er zeigte keinerlei Atembeschwerden mehr und gewann an Lebensfreude und Vitalität. Vor Einsatz der Medikamente prüften wir Rockys Blutwerte über ein Differentialblutbild und eine blutchemische Untersuchung. Anfangs folgten engmaschige Laborkontrollen und regelmäßige Telefonate (siehe auch Tabelle im Anhang). Aufgrund der guten klinischen Ansprache wurde das Prednisolon nach 14 Tagen auf 0,125 mg/kg BID reduziert, um die Corticoidnebenwirkungen zu minimieren. Seit der Cortisongabe entwickelte Rocky Heißhungerattacken und starke Hechel-Anfälle. Diese nahmen mit der Cortisonreduktion ab.

Es entwickelte sich eine Hepatotoxizität, die Rockys Leberwerte deutlich erhöhten. Klinisch war die Hepatotoxizität v.a. durch Gelbverfärbung des Kots sichtbar. Somit war es erforderlich, die Dosis anzupassen und zu reduzieren. Dosisreduktionen sollten unter klinischer und Labor-Kontrolle in 0,5 mg/kg KGW Schritten erfolgen. Rocky bekam nun 20 mg Palladia jeden zweiten Tag. Damit verbesserten sich die Leberwerte wieder deutlich. In untenstehender Tabelle ist eine zusammenfassende Übersicht, in welchem Zeitrahmen Kontrolluntersuchungen und Beratungen stattgefunden haben.

Nach fünfeinhalb Monaten nach Behandlungsbeginn verschlechterte sich plötzlich Rockys Zustand zunehmend. Die Atembeschwerden kamen zurück, Palladia vertrug er trotz Unterbrechung und weiterer Reduktion auf 10 mg nicht mehr und Prednisolon schlug nur bedingt an. Knapp 6 Monate nach Therapiebeginn musste Rocky eingeschläfert werden, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Das fiel nicht leicht, da uns Rocky in dieser intensiven Zeit enorm ans Herz gewachsen war. Er war stets ein gut gelaunter Hund, der das Leben zu genießen wusste. Die Besitzer sind sehr dankbar über den Zeitgewinn, den wir mit dieser Therapieoption erreichen konnten.

Zusammenfassend können wir den Rückschluss ziehen, dass es sich bei Rocky wahrscheinlich um einen Mastzelltumor mit hoher Malignität gehandelt haben muss. Dieser war anatomisch an einer sehr ungünstigen Position und leider inoperabel, dennoch konnte durch die medikamentöse Begleitung eine Verlängerung der Lebenszeit bei guter Lebensqualität erreicht werden.

Nicole Rofael
Tierärztin
VETspert®

VETspert® berät in der Onkologischen Sprechstunde, bewertet Blut-, Urin-, Kot- bildgebende- sowie histologische/zytologische und anderweitige Befunde, entwirft Behandlungspläne und mögliche Medikamente für die Chemotherapie sowie Palliativbegleitung. Durch Zusammenarbeit mit einer Apotheke ist es möglich, individuelle Chemotherapeutika herstellen-und anpassen zu lassen und diese dann gebrauchsfertig in die entsprechende Praxis oder Klinik zu liefern.

Die Unterstützung betrifft vor allem den behandelnden Haustierarzt. Zukünftig wäre mit Einverständnis des Haustierarztes auch eine fernmündliche telefonische oder Video – Beratung direkt mit den Besitzern des Patienten möglich. Anschließend bekommt der Haustierarzt eine Rückmeldung, ggf. mit Empfehlungen zu Medikationsanpassungen etc., die dieser dann finalisiert entscheiden kann. Ebenso ist eine direkte Unterstützung als Kombinationstermin: Patient – Haustierarzt – VETspert® (Videochat) möglich.

Jegliche Entscheidung und Behandlung obliegt dem betreuenden Haustierarzt. Unser Anliegen ist die Unterstützung, Entlastung und Begleitung des Haustierarztes.

ANHANG:

Tabelle zur Übersicht der Überwachung während der Therapie:

Zeit Typ Besprechung mit Besitzer Gewicht Blutbild Blutchemie
Baseline Besuch x x x x
Woche 1 Telefonanruf / Videochat x
Woche 2 Besuch x x x x
Woche 3 Telefonanruf / Videochat x
Woche 4 Besuch x x x x
Alle 4 Wochen Besuch x x x x
Nach Bedarf, ca. 10-14 Tagesrhythmus Telefonanruf / Videochat x

Quellen:
VETspert®
Tierarztpraxis am Rankbach
www.tierklinik-hofheim.de
IDEXX
Palladia Beipackzettel
Thieme-connect

Nicole Rofael

Nicole Rofael

Tierärztin

Autorin des Fachbeitrages
und Ansprechpartnerin
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